28.04.2011

Strategien gegen Schuldenbremse, Exportwahn und Eurochaos

Pressemitteilung zum MEMORANDUM 2011

Mit umfangreichen Konjunkturprogrammen und durch eine unkonventionelle Geld- und Liquiditätspolitik der großen Notenbanken gelang 2010 eine erstaunlich schnelle und kräftige konjunkturelle Erholung. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland legte um 3,6 Prozent zu. Der vorausgegangene, massive Einbruch der Weltwirtschaft 2009 (BIP in Deutschland: minus 4,7 Prozent) hatte seine Ursache in den aufgestauten weltweiten Ungleichgewichten, die Folge massiver Umverteilungen von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen sind. Das durchaus kräftige Wachstum in der Folgezeit war nur möglich, weil unter dem Druck der Rezession vielfältige expansive Maßnahmen umgesetzt wurden - Maßnahmen, die von den Regierenden zuvor noch als untauglich gebrandmarkt worden waren.

Damit bestätigte sich, dass eine schon immer von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik geforderte expansive Finanz- und Geldpolitik - auch unter dem Regime der heutigen Globalisierung - der richtige Weg zur Bekämpfung von wirtschaftlichen Krisen ist. Prof. Heinz-J. Bontrup kritisiert aber: "Kaum aber gibt es Erholungstendenzen, fällt die Welt - und speziell die Bundesregierung in Deutschland - in alte neoliberale Denkmuster zurück!"

Unterstützt wird dies von der vorherrschenden Wirtschaftswissenschaft. Prof. Mechthild Schrooten hält fest: "Obwohl nur ein starker und handlungsfähiger Staat rasch Krisenbewältigung betreiben kann, bleiben die Rezepte der Mainstream-Ökonomie die alten: Rückbau des Staates, weitere Beschneidung der Sozialleistungen und Senkung der Steuern für Leistungsträger. Dabei ist im Zuge der Krise klar geworden, dass "gute" Krisenbewältigung auch ihren Preis hat. Werden die Profiteure nicht maßgeblich an diesen Kosten beteiligt, steigt die Gefahr weiterer Finanzkrisen."

Tatsächlich wird jedoch genau die Politik fortgeführt, die in die Krise geführt hat. Vor allem die deutsche Bundesregierung protegiert wieder eine aggressive Exportorientierung. Niedrige Lohnabschlüsse unterhalb des verteilungsneutralen Spielraums (Produktivitäts- plus Inflationsrate) werden die Beschäftigten weiter schwächen - dabei hat die deutsche Lohnzurückhaltung schon in der Vergangenheit die Ungleichgewichte in Europa befördert (s. Grafik).

Damit wird auch zukünftig die binnenwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nur schwach ausfallen; gleichzeitig drohen die internationalen Ungleichgewichte wieder größer zu werden. Professorin Mechthild Schrooten kritisiert: "Die Politik hat trotz der Eurokrise offensichtlich immer noch nicht begriffen, dass es einen Zusammenhang zwischen den dauerhaften deutschen Exportüberschüssen auf der einen Seite und internationaler Verschuldung auf der anderen gibt. Werden die Schuldner zahlungsunfähig, entstehen Potentiale für weitere tief greifende Finanzkrisen. Das Muster ist bekannt."

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik kritisiert diesen wieder eingeschlagenen neoliberalen wirtschaftspolitischen Kurs. Er missachtet nicht nur die Lehren aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern verschärft auch das aus der Tagespolitik weitgehend verschwundene Problem der schwerwiegenden ökologischen Krise, das gleichwohl immer drängender wird.

Alternativen

  • Um eine grundsätzliche Trendwende einzuleiten fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik eine Umverteilung von oben nach unten. Dazu müssen die Reallohnsteigerungen im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt höher ausfallen als Produktivitätssteigerungen. Der Staat als Tarifpartner könnte dabei mit gutem Beispiel vorangehen, indem er im Rahmen seiner eigenen Tarifabschlüsse Lohn- und Gehaltserhöhungen oberhalb des verteilungsneutralen Spielraums vereinbart.
  • Außerdem fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik zum Abbau der Massen¬arbeitslosigkeit eine umfassende (kollektive) Arbeitszeitverkürzung sowie zusätzlich grundsätzliche Schritte zu einer Etablierung von Wirtschaftsdemokratie.
  • Notwendig ist ein umfassendes öffentliches Investitions-, Beschäftigungs- und ökologisches Umbauprogramm in Höhe von jährlich 110 Milliarden Euro vor. Dies sind etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Von diesem Betrag sollen 75 Milliarden Euro in öffentliche Investitionen fließen, 18 Milliarden Euro in öffentlich geförderte Beschäftigung, Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Sektor und die Unterstützung von Arbeitszeitverkürzungen in der Privatwirtschaft bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie 17 Milliarden Euro in die Förderung des Konsums durch die Anhebung der Sätze für das Arbeitslosengeld II.

Finanziert werden soll das Programm durch eine völlig andere Steuerpolitik. Diese beinhaltet: eine kräftige Anhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer sowie adäquate Erbschaft- und Schenkungsteuersätze mit angemessenen Freibeträgen. Die 2009 eingeführte Abgeltungsteuer muss wieder abgeschafft werden. Um die Kommunen besserzustellen, muss die Gewerbesteuer zu einer kommunalen Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickelt werden. Um Spekulationen an den internationalen Finanzmärkten zu verteuern und einzudämmen, muss eine Finanztransaktionsteuer mindestens auf europäischer, aber besser noch auf internationaler Ebene eingeführt werden. Und nicht zuletzt muss endlich eine konsequente Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung durchgesetzt werden. Steuerdelikte sind keine "Kavaliersdelikte".

Prof. Bontrup hält fest: "Mit einer solchen Steuerpolitik der ökonomischen Vernunft ergänzt durch einen wachstumsbedingten Selbstfinanzierungseffekt würde der finanzielle Spielraum der öffentlichen Hände für eine sozial- und ökologieorientierte Wirtschaftspolitik hergestellt."

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