04.05.2023
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

Memorandum 2023

Globalisierung am Ende – Zeit für Alternativen

Wir leben in einer Zeit vielfältiger, sich überlagernder Krisen. Die Corona-Pandemie, die fortschreitende Umweltkatastrophe, Kriege und hier in besondere der Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie sich insgesamt ausweitende geopolitische Konflikte halten die Welt in Atem.

Angesichts dieser außerordentlichen Belastungen erweist sich die deutsche Konjunktur als außerordentlich robust. Das war nur möglich, weil der Staat aktiv eingegriffen und unverschuldet in die Krise geratene Unternehmen sowie die gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gestützt hat. 2022 hat die Bundesregierung mit verschiedenen Paketen zur Eindämmung der Folgen der Inflation gegengesteuert. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik kritisiert allerdings die mangelnde soziale Zielgenauigkeit dieser Programme.

Die Geldpolitik der Europäischen Zinspolitik, die die Ursache der Inflation durch importierte Angebotspreise aus den Augen verloren hat, sieht sich nach sechs Schritten der Erhöhung der Leitzinsen mit folgenden Problemen konfrontiert: Die nicht durch eine überschüssige und zu billige Geldmenge erzeugte Inflation wird kaum gebremst, die Gesamtwirtschaft steht unter dem Druck steigender Kosten der Fremdfinanzierung und die sinkenden Kurswerte der Anleihen lösen Bankenturbulenzen aus.

Bei der Finanzpolitik geht es um eine aktive Konjunkturpolitik. Für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft braucht es langfristige Ausgaben und Infrastrukturinvestitionen. Die von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik seit langem erhobene Forderung nach einem umfassenden Investitions- und Ausgabenprogramm von mindestens 150 Milliarden Euro jährlich zusätzlich bleibt damit nicht nur aktuell, sie ist dringender denn je. Der Realisierung von Zukunftsinvestitionen steht derzeit die 2 Schuldenbremse entgegen. Dagegen gereichen die heute über Kredite finanzierte Investitionen in die nachhaltige Entwicklung den nachfolgenden Generationen zum Vorteil.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert eine Steuerpolitik, die hohe Einkommen und große Vermögen viel stärker zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben heranzieht. Dazu gehören eine Vermögensteuer, ein höherer Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer und die Verhinderung von Steuerflucht und Steuergestaltung.

Seit 2010 steigt die Zahl der Erwerbstätigen und die Arbeitslosigkeit geht zurück. Trotz guter Arbeitsmarktlage müssen jedoch immer noch mehr als ein Drittel der Beschäftigten in potenziell instabilen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, d.h. mit geringer Stundenzahl, in Befristung, in Leiharbeit oder mit Niedriglohn.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik sieht in der sich verschiebenden Machtbalance auf dem Arbeitsmarkt die Chance, die bisherige Arbeitsmarktpolitik zu einer Arbeitspolitik zu erweitern, in dem Unternehmen verpflichtet werden, abhängig Beschäftigte zu qualifizieren und ihr Arbeitsvermögen zu erhalten.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert konkret die Abschaffung der Sonderregelungen für Mini- und Midi-Jobs, die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes auf 13 Euro pro Stunde noch im Jahr 2023 und einen Rechtsanspruch für Arbeitslose auf Weiterbildung/Umschulung.

Mit der Sanktionspolitik gegenüber Russland und ausbleibenden Lieferungen beim Erdgas musste die Energieversorgung in Deutschland auf eine neue Basis gestellt werden. Dazu ist der Bezug von Flüssiggas (LNG) ein wichtiger Baustein. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik kritisiert allerdings den Aufbau von gewaltigen Überkapazitäten im LNG-Bereich. Stattdessen muss der Bestand an Wind- und Solarkraft kräftig ausgebaut werden.

Die Preisrallye an den Energiemärkten bescherte etlichen Großkonzernen erhebliche leistungslose Extragewinne. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert eine wirksame Abschöpfung von Übergewinnen. Die bisherigen Regelungen laufen weitgehend ins Leere.

Die deutsche Exportindustrie ist ein großer Gewinner der Globalisierung. Die hohen Exportüberschüsse werden seit Jahren von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik kritisiert. Die Störungen in den Lieferketten haben aber auch die Abhängigkeit Deutschlands von seinen Importen gezeigt.

Mit der Corona-Pandemie und den Gegenmaßnahmen kam die Globalisierung erstmals ernsthaft unter Druck. Internationale Lieferketten waren erheblich gestört. Der Krieg hat auch die geopolitische Spaltung der Welt zusammen mit wachsendem Protektionismus vorangetrieben.

Kleinere Korrekturen wie die Rückkehr zu mehr Lagerhaltung und eine Diversifizierung der Lieferketten werden das System zwar stabilisieren, aber sie werden die Globalisierung nicht sozialer, ökologischer und demokratischer machen.

Freihandelsabkommen sind intransparent und berücksichtigen soziale Belange häufig nicht. Sie sind keine Lösung. Deshalb lehnt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik diese Art von Freihandelsabkommen ab. Stattdessen muss die WTO soziale und ökologische Mindeststandards durchsetzen.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert ein grundsätzliches Umdenken. Wir brauchen mehr multilaterale, regelbasierte Strukturen.

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