Neustart der VW-Group: Mit Zukunftstarifvertrag in die Transformation
Die VW-Group hat sich in den letzten Jahren bedrohlich in Richtung Absturz bewegt. Anhaltende Überkapazitäten sind in Deutschland entstanden. Über 500 000 Automobile haben mangels Nachfrage zur Auslastung der deutschen Produktionskapazitäten gefehlt. Sinkende Erlöse waren die Folge. Der Jahresgewinn nach Steuern ist allein vom 3. Quartal 2023 bis zum 3. Quartal 2024 um 2 Mrd. € auf 1,6 Mrd. € gefallen. An den Börsen zeigte sich die Krise durch den massiven Rückgang der Kurswerte der Aktien der VW-AG im Trend vom Spitzenwert mit über 245 € pro Aktie Mitte April 2021 auf 88,80 zwei Tage vor der am 22.12. 2024 beschlossenen Vereinbarung „Zukunft Volkswagen. Die leichten Kurgewinne im Gefolge der Vereinbarung sind allerdings schnell wieder im Spekulationsalltag an den Börsen verschwunden.
Ursachenfundierte Sanierung
Diese tiefgreife Krise von VW trifft in Deutschland mit seinen 13 Stützpunkten 2023 knapp 265 000 direkt Beschäftigte und nochmals über 330 000 Tsd. Beschäftigte im Bereich der Zulieferwirtschaft. Viel zu spät begann die Suche nach den Ursachen zur Überwindung dieser VW-Krise. Zu Erlöseinbußen führten der Einbruch der allgemeinen Konjunktur sowie die deutlich gesunkenen Erträge aus dem Chinageschäft der 39 Gemeinschaftsunternehmen mit über 90 Tausend Beschäftigten. Dramatischer Krisentreiber ist die durch das Gesamtsystem VW verpasste ökologische Transformation vom fossilen Verbrennermotor zur Elektromobilität. Viel zu lang wurde vor allem auf hochpreisige Vergaser-Automobile anstatt auf preisgünstige E-Autos gesetzt. Von den um 7 % auf ca. 8,7 Millionen reduzierten Fahrzeugen, die in 2024 verkauft sein werden, sind immer noch 83 % mit im Kern fossilem Antrieb und nur 17 % mit batterieelektrischem Antrieb ausgestattet. Hierfür verantwortlich ist maßgeblich das gesamte System der VW-Group. Im Zentrum steht das Management, dessen Anreiz, beim alten Geschäftsmodell so lange wie möglich zu bleiben, die Jahrzehnte erzielten hohen Profite waren. Denn daraus flossen die üppigen Bonizahlungen als Belohnung. Aber auch die ertragsfixierten Aktionäre haben mit der Spekulation auf hohe Dividenden den Antriebswechsel unternehmensstrategisch auch behindert. Die VW-Krise ist die Folge einer kurzfristigen Profitmaximierung, durch die der erst mittelfristig wirksame Umbau ausgebremst wurde.
Verantwortungsvoller Kompromiss über den Transformationstarifvertrag
bei VW
Unter dem massiven Druck eines drohenden Kahlschlags ist schließlich ein zukunftsfähiger Kompromiss mit dem Wechsel vom Verbrenner- zum E-Antrieb erzwungen worden. Ziel der akzeptablen Kompromissbildung durch kluge Tarifparteien musste sein: Zeit zur sozial-verträglichen Transformation ins CO2-freie Zeitalter bei VW durch den Ausbau der Elektromobilität zu gewinnen. In mehr als 70 Stunden Verhandlungen, begleitet durch Warnstreiks, ist ein sozial verantwortliches und klimapolitisch vorzeigbares Zukunftskonzept für die deutschen VW-Standorte erarbeitet worden. Mit der „Vereinbarung ´Zukunft Volkswagen`“ ist erstmals ein weit über die Löhne hinausgehender Tarifvertrag der Transformation, der mittelfristig die bisherigen Produktionsstrukturen und Arbeitsverhältnisse umbaut, im Konsens geschaffen worden. Dieser Transformation-Tarifvertrag über den Zeitraum von fünf Jahren ist ein Pionierabschluss, der für weitere industrielle Produktionsschwerpunkte mit dem Ziel des Ausstiegs aus der fossilen Produktionswelt nutzbar sein wird.
Jetzt kommt es darauf an, die vereinbarten Regelungen umzusetzen. Ziel der Vereinbarung ist, VW als „Technologie führenden Volumenhersteller“ in den kommenden fünf Jahren im internationalen Wettbewerb für das ökologische Zeitalter zu positionieren. Dazu werden jedoch die Kapazitäten durch die Reduktion der Produktion von über 700 00 Automobile pro Jahr im Prinzip ohne Schließung von Produktionsstandorten vereinbart. Für den größten Standort Wolfsburg heißt das: Verlagerung der Produktion vom Golf und Golf Variant nach Puebla in Mexico gegenüber dem Zuwachs der Produktion auch vom E-Golf. Für die zu schließenden Produktionsstätten „gläserne Manufaktur“ (Produktion des ID.3) in Dresden sofort und in Osnabrück ab Sommer 2027 (derzeit T-Roc-Cabrio) wird eine Fortführung unter Beteiligung von Dritten angestrebt. Leider wird nur beim Standort Chemnitz der Einstieg in die alternative Produktion gewagt. Dort soll das Geschäft einer „Kreislaufwirtschaft“ (Ciruclar Economy) vor allem mit dem ökologisch relevanten „Recycling“ für die gesamte Wertschöpfungskette bei VW aufgebaut werden.
Beschäftigungsanpassung ohne Massenentlassungen
Diese Produktionsanpassung im Zuge der ökologischen Transformation ist jedoch ohne den bitteren Abbau von Arbeitsplätzen zu realisieren. Allerdings werden durch diesen Tarifvertrag brutale Massenentlassungen vermieden. Die über 30 Jahre alte Beschäftigungsgarantie wird im Zukunftsgeschäftsmodell VW fortgeführt. 35 000 Beschäftigte werden nicht gekündigt, sondern sozial verträglich bis 2030 den Job beenden. Allein durch diese Maßnahme sollen gegenüber dem gesamten Effekt aller Kostenentlastungen von 15 Mrd. € die Arbeitskosten um 1,5 Mrd. € pro Jahr sinken. Auch konnte der durch das Management geforderte Lohnabbau verhindert werden. Nach einem Vorschlag der IG Metall zusammen mit dem Konzernbetriebsrat ist die für die Metall- und Elektroindustrie in Niedersachen beschlossene Lohnerhöhung von über 5% 2025 im VW-Haustarif übernommen worden. Der Lohnzuwachs geht nicht an die Beschäftigten, sondern fließt in einen solidarischen Zukunftsfonds. Daraus werden unter anderem künftig erforderliche Maßnahmen des Lohnausgleichs für Arbeitszeitverkürzungen finanziert. Kürzungen beim Urlaubsgeld und bei den Bonuszahlungen, die 2026/27 komplett ausgesetzt werden, sowie eine grundlegende Reform des veralteten Entgeltsystems sind im neuen Tarifvertrag geregelt worden. Eingeführt wird mit der 35-Stunden-Woche eine einheitliche Arbeitszeit, also auch für diejenigen, die aus früheren Verträgen mit niedrigere Wochenarbeitszeiten im Einsatz sind.
Beitrag des Managements und Renditeerwartung
Es stellt sich die Frage, wie der Vorstand sowie das Management in die Sparmaßnahmen einbezogen werden. In der offiziellen Vereinbarung gibt es dazu keinerlei Hinweise. Medienberichten zufolge sind jedoch Sparmaßnahmen auch für die außertarifliche Managerbezahlung vorgesehen. So soll der Mai-Bonus so stark sinken, dass das Jahreseinkommen von rund 4 000 Managern 2025 und 2026 um zehn Prozent schrumpfen wird. In den folgenden drei Jahren sollen die Jahreseinkommen um acht, sechs und zuletzt fünf Prozent zurückgehen. Bei der Vorstandsvergütung wird auf den allerdings dafür zuständigen Aufsichtsrat der VW AG hingewiesen. Dazu äußert die IGMetall die Erwartung „dass sich der Verzicht des Vorstands noch einmal von dem des Managements abhebt". Jedenfalls hat VW-Chef Oliver Blume im Rahmen der Einigung im Tarifstreit erklärt, Vorstand und Management würden sich "überproportional" am Sanierungskurs beteiligen.
Schließlich werden in der Vereinbarung „Zukunft Volkswagen“ keine quantitativen Renditeziele für die Transformationsphase vorgegeben. Die viel zitierte, bisher für 2026 geplante Rendite mit 6,5% passt auf keinen Fall mehr zum Sanierungsprozess. Sehr allgemein wird angemerkt: Es ist das „Renditeziel der Marke Volkswagen PKW mittelfristig erreichbar“. Eine durch die Erwartungen der Kapitalmärkte extern vorgegebene Zielrendite wäre für den offenen Prozess der Transformation von VW Gift.