28.04.2025
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

Jubiläums-Memorandum 2025 – 50 Jahre "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschafspolitik"

Zum 1. Mai 2025 legt die „Arbeitsgruppe Alternative Wirt­schaftspolitik“ ihr fünfzigstes „Memorandum 2025“ vor.

Die „Memorandum-Gruppe“ startete im Herbst 1975 ihre Arbeit in Bremen. Anlass war damals in Deutschland die erste Rezession, die stufenförmig steigende Arbeitslosigkeit sowie die langsam begin­nende staatliche Schrumpfpolitik vor allem im Sozialbereich. Kritisiert wurde die Vorstellung von der Stärkung der Selbstheilungskräfte der Märkte, die die strukturellen, ökologischen und sozialen Herausfor­derungen würde erfolgreich lösen.

Die drei Gründer waren die Professoren Jörg Huffschmid, Herbert Schui und Rudolf Hickel an der Universität Bremen.

Über die Jahre hat die gegen den Marktfundamentalismus gerichtete „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ zur Relevanz einer Wirtschaftswissenschaft mit der Verantwortung für eine starke Wirtschaft mit guter Arbeit, bei ökologischer Nachhaltigkeit und sozi­aler Gerechtigkeit beigetragen.

 

Presseerklärung zum MEMORANDUM 2025

50 Jahre Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik:
MEMORANDUM 2025: Mehr Demokratie – Weniger Kapitalmacht!

Ab 1975 jährlich MEMORANDEN vorgelegt

Seit 50 Jahren legt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik jeweils zum 1. Mai ihr Jahres-MEMORANDUM vor. Im Mittelpunkt dieser alternativen Wirtschaftspolitik stehen die Ziele gute Arbeit, Verteilungsgerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit. An diesen Zielen wird die aktuelle Politik und auch die vorherrschende Wirtschaftswissenschaft, die auf die Kraft der Selbststabili­sierung auch hochkonzentrierte Märkte setzt, gemessen.

Das diesjährige fünfzigste MEMORANDUM 2025 zur Kritik der die Politik und Gesellschaft bestimmenden Kapitalmacht fällt in eine Zeit der Mehrfachkrisen, der ökonomischen, ökologischen und politischen Umbrüche sowie einer weit verbreiteten Verunsicherung. Anstatt die regelbasierte Weltwirtschaft fair auszubauen und die Klimakrise weltweit zu bekämpfen, dominiert der nationalistisch- autoritäre Trump-Imperialismus und droht die Schwächung multilateraler Klimaabkommen.

Zu 50 Jahre MEMORANDEN gehört heute der Rückblick auf die Gründung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Es war damals auch eine Phase der Verwerfungen, die zur Gründung der Arbeitsgruppe führte. Nach den „Wirtschaftswunderjahren“ wurde ab Mitte der 70er Jahre endgültig die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus deutlich. Im Herbst 1973 löste ein kriegsbedingter Ölpreisschock eine schon lange schwelende Strukturkrise aus, die in der ersten Rezession der Nachkriegsgeschichte 1975 endete. Es begann die Zeit der Massenarbeitslosigkeit. Gesamtwirtschaftlich setzte die Stagflation (Stagnation und Inflation) ein. Anstatt die tiefgreifenden Strukturveränderungen als Krise der kapitalistischen Marktwirtschaft zu erkennen, hatte 1975 der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Wirtschaftswissenschaft unterstellt, die bisherige intervenierende Politik des Staates und die Lohnpolitik der Gewerkschaften hätten die Krise verursacht. Es begann die Phase der neoliberalen Agenda: marktradikale Reformen, Deregulierung, Abbau der sozialen Sicherungssysteme, weniger Staat und Umverteilung zugunsten des Kapitals, durch die die „Wirtschaftswunderjahre“ wieder etabliert werden sollten.

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik nahm die Misserfolge der neoliberalen Politik – die weiter steigende Arbeitslosigkeit, die Inflationsgefahr sowie die Stagnation bis hin zur Rezession, aber auch die damals vorherrschende Illusion der Finanz- und Geldpolitik - zum Anlass, Alternativen aufzuzeigen.

Hinweise zum Memorandum 2025

Heute befindet sich die deutsche Ökonomie in einer anhaltenden gesamtwirt­schaftlichen Stagnationskrise. Seit 2019, vor dem Ausbruch der Corona-Pande­mie, hat das reale BIP um nur noch 0,3 Prozent zugelegt. Die Arbeitsgruppe Al­ternative Wirtschaftspolitik hatte frühzeitig die sozial-ökonomischen und ökologischen Krisenfolgen aufgegriffen und Vorschläge zu deren Überwindung unterbreitet. Oftmals war die „Memo-Gruppe“ ein einsamer Rufer, der nicht ernst genommen wurde. Aber viele zunächst bekämpfte Alternativen wurden unter dem wachsenden Druck der Krise später - wenn auch viel zu spät – aufgegriffen. Dazu gehören die von Anfang an unerbittliche Kritik an der Schuldenbremse sowie die Einführung des Mindestlohnes gegen die Prekarisie­rung der Lohnarbeit.

Die Botschaften im MEMORANDUM 2025 lauten: Neben öffentlichen Investi­tionen vor allem in die Infrastruktur - oftmals Voraussetzung für pri­vatwirtschaftliche Investitionen - müssen die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert werden. Ohne eine grundlegende sozial gerechte Reform des Rentensystems drohen wachsende Altersarmut auf der einen Seite und wachsende Kosten auf der anderen Seite. Die Pflegeversicherung steht vor dem Kollaps, Pflege ist zum Armutsrisiko geworden. Das Bürgergeld droht, seine Funktion als letzte existentielle Grundsicherung zu verlieren und zum Steinbruch für die Finanzierung von Steuergeschenken zu werden. Das Gesundheitssystem krankt trotz vieler Reformversuche an Unterfinanzierung einerseits und Ineffizienz andererseits. Mit dem drohenden Rückzug aus einer offensiven ökologischen Transformation in der Wirtschaft und der Politik wächst die Erblast durch die Umweltkatastrophe künftiger Generationen bedrohlich. Schließlich fehlt es, wie die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik immer wieder analysierte, an wirksamen demokratischen Mitwirkungsrechten in der Wirtschaft, was viele Beschäftigte derzeit als Opfer der Umstrukturierungen bitter erfahren müssen.

Die Industrie in Deutschland ist in einer schweren Krise. Sie hat nur durch eine konsequente Hinwendung zu klimafreundlichen Produkten und Produktionsverfahren eine erfolgversprechende Zukunft, und dies funktioniert nur Hand in Hand mit sicheren und guten Arbeitsplätzen. Die sozial-ökologische Transformation setzt voraus, das Ökologische und das Soziale als zwei Seiten derselben Medaille zu begreifen.

Die insgesamt sehr zurückhaltenden Verfassungsänderungen zur Schulden­bremse am Ende der letzten Legislaturperiode des Bundestags bestätigen die seit der Einführung vorgelegte Kritik durch die „Memo-Gruppe“. Hier hat die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik Pionierarbeit geleistet. Heute gibt es einen breiten Konsens zumindest über den Teilabbau der Schuldenbremse. Wäre der Memo-Kritik an der Schuldenbremse und der Forderung nach der Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen („goldene Regel“) von Anfang gefolgt worden, hätte der Zusammenbruch maroder Infrastruktur vermieden werden können. Erst der Krisendruck hat zu den verfassungsrechtlichen Änderungen geführt. Eingerichtet wurde das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz über 500 Mrd. € über 16 Jahre.  Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Länder dürfen sich künftig zumindest strukturell bis zu 0,35% des Bruttoinlandsprodukts ohne Beschränkung auf investive Ausgaben verschulden. Die Aufhebung der Schuldenbremse für Militär- und Sicherheitsausgaben über 1% der aus dem Haushalt finanzierten Mittel hinaus zeigt, dass insgesamt den Rüstungsausgaben gegenüber etwa der Bildung und der Sicherung des Sozialsystems höchste Priorität eingeräumt wird. Kritisiert wird auch eine über die notwendige Verteidigung hinausgehende aggressive Rüstungspolitik, die vor allem der Expansion von Rüstungsexporten dient.

Was im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung völlig fehlt, sind Maßnahmen für ein gerechtes und aufkommensstarkes Steuersystem, mit dem z. B. die dringend benötigten Bildungsinvestitionen und Investitionen in die Daseinsvorsorge finanziert werden. Dazu gehört unbedingt eine Steuer auf leistungsloses Vermögen. Ökonomisch braucht es neben Investitionsprogrammen, gerechter Steuerpolitik und leistungsfähigen Sozialsystemen auch eine grundlegende Demokratisierung der Wirtschaft.

International fordert die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik eine neue faire, regelbasierte Handelsordnung, die aber nicht wie die alte WTO nur den Interes­sen von Industriestaaten und großen Konzernen dient, sondern auch die Länder des Globalen Südens in den Blick nimmt. Es darf nicht um die Wahl zwischen ungehemmtem Freihandel einerseits und andererseits die Abschottung, Protektionismus und Zollpolitik zulasten Anderer gehen. Die weltweiten Wirtschaftsverflechtungen sind auch nicht auf „Deals“ im Interesse einzelner Staaten zu reduzieren.

Die USA, die immer noch das Zentrum des heutigen Kapitalismus bilden, werden mit Trumps „Make America Great Again (MAGA) –Imperialismus zur Bedrohung für den Rest der Welt. Verstärkt wird dadurch die Zerbröselung  des Multilateralismus durch geostrategische Blockbildungen, die auch Putins aggressiven Imperialismus stärken. In den USA droht durch Trump ein nationalistisch-autoritärer Oligarchen-Kapitalismus, den auch die antidemokratischen Bosse der Big-Tech-Konzerne sponsern. Die Alternative wird in diesem MEMORANDUM klar: Anstatt Trump (USA) oder Milei (Argentinien) nachzueifern, muss mehr Demokratie auch für sozial-ökologisch verantwortliches Wirtschaften gewagt werden.

Hinweis auf die Jubiläumskonferenz am 28. Juni 2025

Anlässlich 50 Jahre Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und zur Vorlage des MEMORANDUMs 2025 wird am 28.6.2025 in Berlin eine Konferenz stattfinden. Dort werden die historischen Erfahrungen, die Konzepte, aber auch die Frage nach der Wirksamkeit dieser wirtschaftswissenschaftlichen Aufklärung kritisch diskutiert werden. Das Team der Memo-Gruppe diskutiert mit Wegbegleiter*innen und Unterstützer*innen aus der Wirtschaftswissenschaft, den Gewerkschaften, der Politik und Gruppen der Zivilgesellschaft über die Zukunft des Neoliberalismus, die Krise der Globalisierung sowie die Anforderungen an den zukunftsfähigen Staat und die Herausforderungen durch die ökologisch- soziale Transformation.

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Das Memorandum 2025 können Sie hier bestellen...

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