09.04.2025
Rudolf Hickel / Frankfurter Rundschau

Kapitalerträge gerecht besteuern

Zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau leicht gekürzt als "Gastbeitrag" am 3.4.2025: "Sündenfall der Abgeltung"

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Noch ist kein Kompromiss im Streit um die künftige Steuerpolitik in den Koalitionsverhandlungen erkennbar. Der Forderung nach einer ansatzweise stärkeren Besteuerung der Vermögen und Kapitalerträge durch die SPD steht das Ziel der CDU/CSU, Vermögende steuerlich weiterhin zu schützen und die Unternehmenssteuern zu senken, ge­genüber. Beispielhaft für diesen Streit um die Frage, wie die Steuer­last künftig gerechter zu verteilen wäre, ist die Zukunft der Kapitaler­tragsteuer. Während die SPD zumindest eine Erhöhung dieser Abgel­tungsteuer für die Kapitalerträge von 25% auf 30 fordert, verweigert die CDU/CSU die Gefolgschaft. Dabei muss klar sein, hier geht es nicht nur um mehr an Steuereinnahmen. Vielmehr soll eine seit 2009 durch den damaligen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück forcierte Ungerechtigkeit der Steuerlastverteilung zurückgenommen werden. In der Zeit vor diesem Sündenfall unterlag der Ertrag aus Zinsen, Divi­denden und Kursgewinnen genauso wie die Einkommen aus abhängi­ger Arbeit und Selbstständigkeit der allgemeinen Einkommensteuer mit dem steuer­freien Grundfreibetrag, dem ab 14% startenden linear steigenden Grenzsteuersatz bis zum heutigen Spitzensteuersatz von 42 % bzw. dem Reichensteuersatz mit 45%. Dagegen sind ab 2009 die Kapitaler­träge aus dieser synthetischen Einkommensbesteuerung für die sieben Einkunftsarten herausgenommen und mit 25% abgegolten worden. Bürokratisch allerdings einfach erfolgt die Abführung ano­nym von den Banken bzw. Brokern an den Fiskus.

Die Begründung dieser Demontage der zuvor synthetischen Besteu­erung aller Einkunftsarten ist mit dem Verlust von Steuereinnahmen durch die Flucht des Geldkapitals in ausländische Steueroasen be­gründet worden.  Weil er nur „mit der Kavallerie in der damaligen Steueroase Schweiz einzureiten“, drohen konnte, lautete Steinbrücks Rechtfertigungsklausel: „Lieber 25% von x als 42 % von nix!“ – aller­dings ohne Rücksicht auf die dafür in Kauf genommene Steuerunge­rechtigkeit. Mittlerweile ist die Gefahr der Steuerflucht mehr oder weniger gebannt. Seit Ende 2017 haben 51 Gründungs­staaten verein­bart, dass mit dem „automatischen Informationsaus­tausch“ die inter­nationale Steuerhinterziehung bekämpft wird.

Geblieben ist allerdings die steuerliche Privilegierung der Kapitalein­künfte durch den Abgel­tungssatz von 25% gegenüber den individuell besteuerten Arbeitsein­kommen. In der Spitze der Besteuerung wird ab 68 671 € das zu ver­steuernde Arbeitseinkommen (Single) mit 42% belastet. Dagegen fließen beispielsweise aus einer Million Euro an Ka­pitaleinkünften nur 25% an den Steuerstaat.

Dabei zeigt die tiefgreifende Analyse ein besonderes Muster der Last­verteilung zwischen Kleinanlegern und Millionären. Kleinanleger wer­den gerechterweise bei der Kapitalertragsteuer geschont. Zum ei­nen wirkt sich der Freibetrag von 1000 Euro für Singles und 2000 Euro für Paare (Splittingtabelle) aus. Zum anderen kann das Finanz­amt im Rahmen der Steuererklärung aufgefordert werden, bei An­gabe der Kapitalerträge zu prüfen, ob der individuelle Einkommens­steuersatz, der günstiger ist, auf Kapitalerträge angewendet wird. Bei einer Diffe­renz zugunsten des zu Besteuernden zahlt das Finanzamt die Diffe­renz zurück. Dagegen sind die Profiteure der Abgeltung­steuer auf leistungslo­ses Kapitaleinkommen gegenüber den Einkom­men aus Ar­beits­leistung vor allem diejenigen, die besonders reich mit Kapitalver­mö­gen ausgestattet sind.  Je größer der erträgliche Reich­tum, umso größer ist der Steuervorteil gegenüber dem Tarif zur Besteu­erung der Arbeitseinkommen.

Diese systematisch unterschiedliche Behandlung von Arbeits- und Ka­pitaleinkommen widerspricht dem verfassungsrechtlich gewollten Prinzip der Besteuerung nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit („ability to pay“). Arbeitseinkommen aus erbrachter Leistung werden ge­genüber leistungslosen Kapitaleinkünften steuerlich diskriminiert. Dies steht auch im Widerspruch zu der Forderung „Leistung muss sich auch steuerlich lohnen!“ Was folgt daraus: Nach einer gerechten Steuersystematik müssten die Kapitalerträge wieder komplett wie alle anderen Einkommensarten individuell mit demselben Einkom­menstarif besteuert werden. Auch der Steinbrück nachfolgende Fi­nanzminister Wolfgang Schäuble äußerte dafür Sympathien. Die SPD wagt in den Koalitionsverhandlungen wenigstens den Einstieg in die Reduzierung dieses Steuerprivilegs für Erträge aus Kapital. Dies ist ein Schritt zur Wiederherstellung der Steuergerechtigkeit. Dazu gehört aber auch, die bisherigen internationalen Maßnahmen gegen Steuer­hinterziehung weiter auszubauen.

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