08.07.2024
Rudolf Hickel

Frankreich nach der Wahl: Zinsaufschläge wegen politischer Unsicherheit durch die Finanzmärkte – Europäische Zentralbank gefordert

In Frankreich ist eine Rechtsregierung unter der Führung des radikalen Rassemblement National von Marine Le Pen verhindert worden. Damit ist die Gefahr, Frankreich könnte mit einer nationalistischen Politik die EU demon­tieren und den Euroraum belasten, erst einmal gebannt. In den nächsten Wo­chen wird allerdings die Regierungsbildung schwierig. Das Linksbündnis (Nou­veau Front Populaire) aus Sozialisten, Linken, Grünen und Kommunisten ist weit entfernt von der Parlamentsmehrheit. Zum anderen liegen deren partei­politische Programme weit auseinander. Jetzt kommt es darauf an, eine eini­germaßen stabile Regierung gegenüber dem Rechtsblock im Parlament zu­stande zu bringen. Dabei droht Frankreich eine Gefahr von den Finanzmärkten. Für die zu erwartende Unsicherheit und befürchteten sozialen Unruhen werden die Finanzmärkte im Rahmen ihres Ratings einen weiteren Risikoaufschlag für französische Staatsanleihen durchsetzen. Angetrieben wird diese Erwartung ge­genüber den Finanzmärkten durch den Streit um die Frage, wie die in der Wahl unterbreiteten Versprechen, die Sozialausgaben vor allem durch die Rück­nahme der Rentenkürzungen zu erhöhen, finanziert werden können. Schließ­lich geht es darum, neue soziale Unruhen zu verhindern. Dabei stößt diese dif­fuse Mehrheitskonstellation gegen die rechtsradikale Le Pen-Macht aktuell auf eine ökonomisch schwache Entwicklung Frankreichs Das Wirtschaftswachs­tum wird mit unter einem Prozent niedrig bleiben. Mit wachsenden Steuerein­nahmen ist also kaum zu rechnen. Die Arbeitslosenquote ist mit knapp 8 % leicht zurückgegangen. Die Neuverschuldungsquote von über 5% (bezogen auf das Bruttoin­landsprodukt) bei einer hohen Gesamtschuldenquote mit 110 % hat bereits ein Verfahren wegen Regelverstoßes durch die EU ausgelöst.

Für die ökonomische, fiskalische und politische Instabilität werden die Fi­nanzmärkte einen Preis verlangen. Bei der Finanzierung durch Staatsanleihen ist erneut mit Risikoaufschlägen und damit höheren Staatsanleihe-Zinsen (Spreads) zu rechnen. Zum einen wird dadurch die Regierungsbildung belastet. Zum anderen ist die Defragmentierung der Zinssätze bei der Staatsfinanzierung innerhalb des Eurosystems die Folge. Dadurch wird die Umsetzung einer ge­meinsamen Geldpolitik massiv erschwert. Daher ist die Europäische Zentral­bank gut beraten, das im Juli 2022 eingeführte Instrument TIP („Transmission Protection Instrument“) über den Ankauf französischer Staatsanleihen gegen die Risikoaufschläge durchzusetzen. Wenn das nicht geschehen sollte, müsste wegen der zinspolitischen Fragmentierung mit einer Euro-Abwertung mit Folgen auch für Deutschland gerechnet werden. Die EZB kann die Attacken der Finanzmärkte während der Regierungsbildung abschwächen. Jetzt wird die EZB zum monetären Bollwerk gegen die durch die Rechten gewollte Demontage ei­ner supranationalen Geldpolitik.  Da wirkt die Warnung des deutschen Bundesfinanzministers vor dem Einsatz dieses Kaufprogramms französischer Staatsanleihen, wie es unter vorgehaltener Hand aus der EZB ge­sagt wird, „dämlich“. Diese Intervention ist gegenüber der Autonomie der EZB eine Zumutung. Es lohnt sich, die ökonomisch zweitstärkste Nation in der EU im derzeitigen Übergang von der Präsidial- zur parlamentarischen Demokratie vor den Spekulationsgeschäften der Finanzmärkte zu schützen. Diese Geldpolitik sorgt mit dem Instrument Ankauf von französischen Staatsanleihen für die Sta­bilität des Eurosystems, von der auch Deutschland profitiert.

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