10.07.2024
Rudolf Hickel

OBS-Studie zur ökonomischen Beratung durch Beiräte und die „Fünf Weisen“: Einfluss der kritischen Memo-Gruppe ausgeblendet!

Zur OBS-Studie der Otto-Brenner-Stiftung (OBS): „Schlecht beraten? Die wirtschaftspolitischen Beratungsgremien der Bun­desre­gierung in der Kritik“ von Dieter Plehwe / Moritz Neujeffski / Jürgen  Nordmann  (12.03.2024)

Redaktioneller Hinweis:

Die im Mittelpunkt stehende OBS-Studie konzentriert sich auf den Einfluss der marktfundamentalistischen (neoklassischen) Wirtschaftswissenschaft vor allem durch den Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und Beirat beim Bundes­finanzministerium sowie den „Sachverständigenrat zur Begutachtung der ge­samtwirtschaftlichen Entwicklung“ („Rat der fünf Weisen“). Zusammengefasst wird das Ergebnis dieser OBS-Expertise unter dem zutreffenden Titel „Schlecht beraten“. Im Klartext heißt das, dass die die wachsende Notwendigkeit des in­terventio­nistisch und sozial-ökologisch gestaltenden Staates durch die mehr­heitliche Besetzung der Beratungsgremien nicht berücksichtigt wird. Über diese Defizite der ökonomischen Beratung klärt die OBS-Studie auf. Jedoch werden die Aktivi­täten der kritischen Wirtschaftswissenschaft außerhalb dieser ziem­lich ge­schlossenen Beraterkreise kaum berücksichtigt. So wird der Einfluss der „Ar­beitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ (Memo-Gruppe), die seit 1975 Jahr für Jahr Gegengutachten vorlegt, auf die kritische Auseinandersetzung mit dieser staatlich etablierten Wirtschaftspolitik- Beratung komplett ausgeblen­det.

Die nachfolgende Kritik an der mangelnden Berücksichtigung der Gesamtheit der heterodo­xen Ökonomik, die sich kritisch auf die vorherrschende Beratungs­ökonomik be­zieht, ist den Autoren dieser Studie bereits mitgeteilt worden.

Zur Kritik an der Ausblendung der Arbeit der „Memo-Gruppe“

Methodisch wird durch diese Studie der Kreis der untersuchten wirt­schaftswis­senschaftlichen Beratung eindeutig abgegrenzt. Gezielt untersucht werden ledig­lich die Arbeit sowie der Einfluss des SVR zusammen mit den beiden Wissen­schaftli­chen Beiräten (beim Wirtschafts- bzw. Fi­nanzministerium).

Dabei wird die seit 1975 organisiert aktive, wirtschaftswissenschaftli­che Kritik dieser staatlich etablierten Beratungspraxis durch die „Arbeitsgruppe Alternati­ve Wirtschaftspolitik“ sowie deren rückwirkende Einflüsse auf die drei unter­suchten Beratungsinstituti­onen komplett ausge­blendet. Dabei ist hervorzuhe­ben, dass auch aus der In­dustriegewerkschaft Metall und anderen Gewerk­schaften namhafte Mit­glieder diese Gegenöffentlichkeit für eine sozial und ökologisch nachhaltige Gesamt­wirtschaft unterstützt haben.

Daher ist es höchst problematisch, die seit 1975 über Jahre um­fangreich wahr­genommene wirtschaftswissenschaftliche Alternativberatung – über die Print­medien hinaus - nicht zu er­wähnen. Denn die „Memo-Gruppe“ hat über die Medien die vor­herrschende Öffentlichkeit und damit auch das Umfeld der staatlich etablierten Beratung beeinflusst. Schließlich sind an den Universitäten und Instituten umfassende Diskussionen über die Notwen­digkeit einer alterna­tiven Ökonomik ausgelöst worden.  Dies gilt auch für die in dieser Studie streng eingegrenzten Beratungsinstitutionen. Dortige Vertreter sa­hen sich gezwun­gen, oftmals allerdings wi­derwillig die Auseinandersetzung mit den „Memoran­den“ aufzunehmen. Vor allem wurde dadurch die Arbeit der die Neoklassik kri­tisierenden Minder­heitenvertreter im SVR unter­stützt. Das gilt vor allem für die Reform­schwer­punkte Hartz IV, Mindestlohn und  Schul­denbremse.

Die Folgen der Ausblendung der wirtschaftswissenschaftlichen Kritik außerhalb der offiziellen Beratungsinstitutionen – allerdings mit Rückwirkung auf deren Arbeit – zeigen sich besonders am Beispiel Schuldenbremse. Die Rolle der wis­senschaftli­chen Gegenöffentlichkeit bei der Durchsetzung dieser Schulden­bremse ist von Anfang an bedeutsam. So war es in der Förderalismuskommis­sion II (2007-2009) die Memo-Arbeitsgruppe, die wissenschaftliche Kritik an der Schuldenbremse nachweislich eingebracht hat. Ebenfalls haben die vielen An­hörungen, an de­nen die Memo-Gruppe im Finanz- und Haushaltsausschuss teil­genom­men hat, durchaus eine Öffnung gegenüber dem staatlich etablierten Bera­tungsblock ausgelöst und Einfluss auf die medial repräsentierte Öffent­lich­keit genommen.  Dazu gehören auch die vielen Einsätze in den Medien (etwa Sabine Christiansen / Anne Will / Frank Plasberg, Phoenix). Die in dieser OBS-Studie untersuch­ten Be­ra­tungsinstitutionen hat das oftmals sehr gestört. Dafür stehen auch Beschwerden bei den Redaktionen mit dem Ziel, diese Kritik auszu­schließen.

Zum Ende der Studie wird zu Recht für eine stärkere Vernetzung der heterodo­xen Alternativ-Beratung plädiert. Dass es diese abweichende Kritik an der Ne­oklassik jedoch schon seit 1975 gab und dass diese auch Einfluss auf die ge­werk­schaftliche und öffentliche Meinung gewonnen hat, hätte in dieser Studie „Schlecht beraten“ berücksichtigt werden sollen. Schließlich ist neu ist an dieser Art der wirtschaftswissenschaftlichen Beratung durch die „Memo-Gruppe“, dass die interessierte Öffentlichkeit und hier insbesondere die Ge­werkschaften und die Poli­tik, aber auch aus den Universitäten und den wirt­schaftswissenschaftlichen Instituten per Unterschrift die Memoranden der „Ar­beitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik unterstützt haben.

Meine Kritik an dieser OBS-Studie lässt sich mit wie folgt zusammenfassen: Durch die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ wurde durchaus eine Alternativsicht gegenüber der vorherrschenden, staatlich gewollten Be­ratungs­ökonomik angeboten. Deren Einfluss auf den öffentlichen Diskurs einer zu­kunftsfähigen Wirtschaftswissenschaft ist belegbar. Diese jährliche Kritik hat auf die Arbeit der wirtschafts- und finanzpolitischen Beiräte und des „Sachver­stän­digenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ Ein­fluss genom­men. Dies auszublenden, schränkt den Erkenntnisgewinn dieser Studie ein.
 

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