OBS-Studie zur ökonomischen Beratung durch Beiräte und die „Fünf Weisen“: Einfluss der kritischen Memo-Gruppe ausgeblendet!
Zur OBS-Studie der Otto-Brenner-Stiftung (OBS): „Schlecht beraten? Die wirtschaftspolitischen Beratungsgremien der Bundesregierung in der Kritik“ von Dieter Plehwe / Moritz Neujeffski / Jürgen Nordmann (12.03.2024)
Redaktioneller Hinweis:
Die im Mittelpunkt stehende OBS-Studie konzentriert sich auf den Einfluss der marktfundamentalistischen (neoklassischen) Wirtschaftswissenschaft vor allem durch den Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und Beirat beim Bundesfinanzministerium sowie den „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ („Rat der fünf Weisen“). Zusammengefasst wird das Ergebnis dieser OBS-Expertise unter dem zutreffenden Titel „Schlecht beraten“. Im Klartext heißt das, dass die die wachsende Notwendigkeit des interventionistisch und sozial-ökologisch gestaltenden Staates durch die mehrheitliche Besetzung der Beratungsgremien nicht berücksichtigt wird. Über diese Defizite der ökonomischen Beratung klärt die OBS-Studie auf. Jedoch werden die Aktivitäten der kritischen Wirtschaftswissenschaft außerhalb dieser ziemlich geschlossenen Beraterkreise kaum berücksichtigt. So wird der Einfluss der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ (Memo-Gruppe), die seit 1975 Jahr für Jahr Gegengutachten vorlegt, auf die kritische Auseinandersetzung mit dieser staatlich etablierten Wirtschaftspolitik- Beratung komplett ausgeblendet.
Die nachfolgende Kritik an der mangelnden Berücksichtigung der Gesamtheit der heterodoxen Ökonomik, die sich kritisch auf die vorherrschende Beratungsökonomik bezieht, ist den Autoren dieser Studie bereits mitgeteilt worden.
Zur Kritik an der Ausblendung der Arbeit der „Memo-Gruppe“
Methodisch wird durch diese Studie der Kreis der untersuchten wirtschaftswissenschaftlichen Beratung eindeutig abgegrenzt. Gezielt untersucht werden lediglich die Arbeit sowie der Einfluss des SVR zusammen mit den beiden Wissenschaftlichen Beiräten (beim Wirtschafts- bzw. Finanzministerium).
Dabei wird die seit 1975 organisiert aktive, wirtschaftswissenschaftliche Kritik dieser staatlich etablierten Beratungspraxis durch die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ sowie deren rückwirkende Einflüsse auf die drei untersuchten Beratungsinstitutionen komplett ausgeblendet. Dabei ist hervorzuheben, dass auch aus der Industriegewerkschaft Metall und anderen Gewerkschaften namhafte Mitglieder diese Gegenöffentlichkeit für eine sozial und ökologisch nachhaltige Gesamtwirtschaft unterstützt haben.
Daher ist es höchst problematisch, die seit 1975 über Jahre umfangreich wahrgenommene wirtschaftswissenschaftliche Alternativberatung – über die Printmedien hinaus - nicht zu erwähnen. Denn die „Memo-Gruppe“ hat über die Medien die vorherrschende Öffentlichkeit und damit auch das Umfeld der staatlich etablierten Beratung beeinflusst. Schließlich sind an den Universitäten und Instituten umfassende Diskussionen über die Notwendigkeit einer alternativen Ökonomik ausgelöst worden. Dies gilt auch für die in dieser Studie streng eingegrenzten Beratungsinstitutionen. Dortige Vertreter sahen sich gezwungen, oftmals allerdings widerwillig die Auseinandersetzung mit den „Memoranden“ aufzunehmen. Vor allem wurde dadurch die Arbeit der die Neoklassik kritisierenden Minderheitenvertreter im SVR unterstützt. Das gilt vor allem für die Reformschwerpunkte Hartz IV, Mindestlohn und Schuldenbremse.
Die Folgen der Ausblendung der wirtschaftswissenschaftlichen Kritik außerhalb der offiziellen Beratungsinstitutionen – allerdings mit Rückwirkung auf deren Arbeit – zeigen sich besonders am Beispiel Schuldenbremse. Die Rolle der wissenschaftlichen Gegenöffentlichkeit bei der Durchsetzung dieser Schuldenbremse ist von Anfang an bedeutsam. So war es in der Förderalismuskommission II (2007-2009) die Memo-Arbeitsgruppe, die wissenschaftliche Kritik an der Schuldenbremse nachweislich eingebracht hat. Ebenfalls haben die vielen Anhörungen, an denen die Memo-Gruppe im Finanz- und Haushaltsausschuss teilgenommen hat, durchaus eine Öffnung gegenüber dem staatlich etablierten Beratungsblock ausgelöst und Einfluss auf die medial repräsentierte Öffentlichkeit genommen. Dazu gehören auch die vielen Einsätze in den Medien (etwa Sabine Christiansen / Anne Will / Frank Plasberg, Phoenix). Die in dieser OBS-Studie untersuchten Beratungsinstitutionen hat das oftmals sehr gestört. Dafür stehen auch Beschwerden bei den Redaktionen mit dem Ziel, diese Kritik auszuschließen.
Zum Ende der Studie wird zu Recht für eine stärkere Vernetzung der heterodoxen Alternativ-Beratung plädiert. Dass es diese abweichende Kritik an der Neoklassik jedoch schon seit 1975 gab und dass diese auch Einfluss auf die gewerkschaftliche und öffentliche Meinung gewonnen hat, hätte in dieser Studie „Schlecht beraten“ berücksichtigt werden sollen. Schließlich ist neu ist an dieser Art der wirtschaftswissenschaftlichen Beratung durch die „Memo-Gruppe“, dass die interessierte Öffentlichkeit und hier insbesondere die Gewerkschaften und die Politik, aber auch aus den Universitäten und den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten per Unterschrift die Memoranden der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik unterstützt haben.
Meine Kritik an dieser OBS-Studie lässt sich mit wie folgt zusammenfassen: Durch die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ wurde durchaus eine Alternativsicht gegenüber der vorherrschenden, staatlich gewollten Beratungsökonomik angeboten. Deren Einfluss auf den öffentlichen Diskurs einer zukunftsfähigen Wirtschaftswissenschaft ist belegbar. Diese jährliche Kritik hat auf die Arbeit der wirtschafts- und finanzpolitischen Beiräte und des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ Einfluss genommen. Dies auszublenden, schränkt den Erkenntnisgewinn dieser Studie ein.