Das Zocken an den Börsen geht weiter
Der Artikel ist zuerst erschienen in OXI, Wirtschaft Anders Denken, Ausgabe 8/2020
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Seit Anfang 2020 ist es zu einer weltweiten Virus-Pandemie gekommen, die die Weltwirtschaft, wie noch nie zuvor, durch eine politische Intervention, in die schwerste Wirtschaftskrise seit 1929 versetzt hat. Dieser exogene Schock hat sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite der Märkte von heute auf morgen ausgebremst. Es wurden Produktions- als auch Konsumtionsverbote verhängt. Die ökonomischen Ausmaße der Pandemie kann heute noch keiner überschauen. Die politischen und insgesamt gesellschaftlichen Folgen auch nicht. In Deutschland wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2020 wohl um rund -9,0 v.H. einbrechen. Auf dem Höhepunkt der Finanz-, Immobilen- und Wirtschaftskrise 2009 waren es „nur“ -5,7 v.H. In solch einer Situation nicht auch den Börsenhandel unter „Quarantäne“ zu stellen bzw. auszusetzen, ist ökonomisch völlig unverständlich. Die produzierende Wirtschaft bricht dramatisch ein und die Börsianer wetten auf eine schnelle oder auch auf keine schnelle Erholung der Krise. Gibt es einen V- oder U-Verlauf? Erholt sich die Wirtschaft schnell (V-Verlauf) oder muss mit einer längeren Durststrecke (U-Verlauf) gerechnet werden? Selbst das spekulieren mit Leerverkäufen geht munter weiter und es kommt zu Bereicherungen an einzelnen Aktien- und damit Unternehmenswerten, die ausschließlich coronabedingt sind und realiter mit der eigentlichen Performance der Unternehmen nichts zu tun haben. Dies nutzen auch Konzernchefs aus. Viele CEOs im DAX notierter Unternehmen haben den kurzzeitigen Kurssturz an der Börse als Gelegenheit gesehen, um reicher zu werden. Sie kauften Aktien ihrer Unternehmen im Tiefpunkt und „wetteten“ auf einen Kursanstieg, der dann auch eintrat. So erwarb der Metro-Chef Olaf Koch im März 2020 Aktien des Düsseldorfer Handelskonzerns für mehr als 1,1 Millionen Euro oder der RWE-Chef Rolf Martin Schmitz kaufte Anteilsscheine des Essener Energieversorgers im Gesamtvolumen von 586.000 Euro, als der Börsenkurs von RWE vergleichsweise niedrig war. Auch Christian Kullmann, Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik, steckte in der Corona-Krise privates Geld in den Kauf von Aktien des Unternehmens, das er selbst führt. „Einen besonders starken Kursanstieg hat der Düsseldorfer Rüstungs- und Industriekonzern Rheinmetall in den vergangenen Wochen verzeichnet. Als Vorstandschef Armin Papperger am 19. März Aktien des Unternehmens für rund 151.600 Euro kauft, liegt der Kurs bei 44,60 Euro. Aktuell sind es rund 80 Euro“, schrieb die WAZ am 10. Juni 2020. Auch international gab es Corona-Gewinner. Der Eigentümer der Softwarefirma Zoom, Eric Yuan, die eine Plattform für digitale Konferenzen anbietet, hat sein Vermögen auf mehr als sieben Milliarden Euro verdoppelt. Facebook legte an der Börse um 60 Prozent zu, Netflix um 46, Amazon um 45 und Appel um 31 Prozent. Die Besitzer der Tech-Firmen sind ein ganzes Stück reicher geworden. Amazon-Chef Jeff Bezos, der eh schon reichste Mann der Welt, gewann rund 35 Milliarden US-Dollar. Auch Ex-Microsoft-Chef Steve Ballmer und Oracle-Chef Larry Ellison profitierten kräftig, stellte die Frankfurter Rundschau fest. Und laut einer Berechnung des Magazins Forbes wuchs das Vermögen der 600 reichsten Amerikaner zwischen dem 18. März und dem 19. Mai 2020 um insgesamt 434 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von fast 15 Prozent entspricht. Zeitgleich verloren fast 39 Millionen Amerikaner wegen der Krise ihren Job und in keinem anderen Land gibt es so viele mit Covid-19 infizierte oder daran gestorbene Menschen wie in den USA.