15.07.2019
Rudolf Hickel

Der IWF hat Recht: Erfolgreiche Familienunternehmen – Triebkraft der Vermögens- und Einkommenskonzentration

1. Die Einschätzung: Eigentümer-Großfamilienunternehmen in der Reichtumsklasse

Der Internationale Währungsfonds (IWF) mit der Präsidentin Christine Lagarde beschränkt sich in seinem jüngsten Konsultationsbericht zu Deutschland im Juli 2019 nicht nur auf die Untersuchung der gesamtwirtschaftlichen Determinanten wie das Wirtschaftswachstum, die Beschäftigung und die Inflation. In dem neuen Deutschlandbericht wird die Konzentration des Vermögens und der verfügbaren Einkommen hervorgehoben. Neu ist der Hinweis auf die Familienunternehmen als Triebkraft. In Übereineinstimmung mit vielen anderen Untersuchungen wird für Deutschland eine vor allem seit 2000 wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft durch Reichtumskonzentration bestätigt. Für den lange Jahre eher als marktliberal wahrgenommenen IWF überrascht die Nennung einer der entscheidenden Ursachen: Sonst immer als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und als Stabilitätsanker beschrieben, wird hier die Triebkraft dieser Fehl-Entwicklung in den Familienunternehmen gesehen. Dabei zählen zu den Familienunternehmen im Unterschied zu den von der Größe her begrenzten kleinen und mittleren Unternehmen auch Großunternehmen wie BMW (mit den Familien Stefan Quandt und Susanne Klatten). Diese Eigentümerunternehmen, bei denen oftmals auch das Eigentum vom Management getrennt ist, werden als zentrale Ursache der wachsenden Ungleichverteilung identifiziert. Das ist harter Tobak vor allem für die aggressiven Lobbyverbände der Familienunternehmen, die immer nur die segensreichen Wirkungen dieses Unternehmenstyps abfeiern. Auffällig ist, dass der sonst sehr aggressiv mit seiner Einflussarbeit auffallenden Verband „Die Familienunternehmen“ auf diese Untersuchung ziemlich wortkarg reagiert.

Zweifellos, im ersten Teil kann diese IWF-Studie als eine Lobrede auf den Erfolg der vielen deutschen Familienunternehmen genutzt werden. Im Mittelpunkt steht die Erfolgsmarke steigende Gewinne, die auch auf expandierenden Exportmärkten etwa in China erzielt werden. Die Gewinnexpansion führt jedoch am Ende zur Wohlstandssteigerung der Eigentümerunternehmen.

Wie die hohe Sparquote zeigt, die Vermögen wachsen massiv und daraus werden wiederum zusätzliche Vermögenseinkünfte bezogen. Die Reproduktion der Vermögenseliten auf erweiterter Stufenleiter ist unbestreitbar.

Erstmals weist der IWF, der das Konzept sozial inklusiven Wirtschaftsentwicklung unterstützt, mutig auf die angeeigneten Gewinne und die hohen Sparquoten hin, über die das Vermögen wächst. Dagegen entwickeln sich die Arbeitseinkommen in oftmals nicht mitbestimmten Familienunternehmen sehr langsam.

Hier setzen die politischen Vorschläge des IWF gegen die durch Familienunternehmen vorangetriebene soziale Spaltung an.

Dazu gehören Lohnerhöhungen, die die Binnenwirtschaft stärken. Wichtig ist eine spürbare Erbschaft und Schenkungsteuer. Dadurch lässt sich der derzeit steuerlich viel zu billige Wechsel des Reichtums ohne persönliche Leistung des Bevorteilten unterbrechen. Aber auch die Vermögensteuer ist ein Beitrag, die ökonomischen Profiteure in die Finanzierung staatlicher Infrastruktur einzubeziehen. Insgesamt dient die Stärkung der staatlichen Finanzkraft durch gerechte Steuerlastverteilung der Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage über öffentliche Investitionen sowie der Förderung privater Risikoinvestitionen. Ordnungspolitich wird gefordert, das Vermögen an Unternehmen nicht in der Familienoligarchie zu konzentrieren, sondern auf viele kleine Aktionäre zu verteilen. So sollte für Start-ups der Börsengang einfacher und billiger werden.

Dem Internationalen Währungsreform sei Dank für die Aufforderung, ökonomischen Erfolg und Effizienz mit gerechter Einkommensverteilung zu verknüpfen. Nicht nur den Familienunternehmen ist die Lektüre der IWF-Studie zu empfehlen. Es wäre schlichtweg dumm, wegen dieser Wahrheiten die derzeitige Chefin des IWF beim Wechsel an die Spitze der Europäischen Zentralbank abzustrafen.

2. Zugespitzte Zitate aus der Studie

  • Exportüberschüsse und Ungerechtigkeit: „Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht (…) eine negative Entwicklung in Deutschland selbst: Mit den Überschüssen vergrößern sich die sozialen Unterschiede, (…) Millionen Deutsche haben wenig vom Boom.“
  • Ungleichheit der Topverdiener: „Die anschwellenden deutschen Überschüsse in den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden von einer starken Zunahme der Ungleichheit der Top-Einkommen begleitet.“
  • Oberstes Zehntel Gewinner: „In der Tat wirken die Parallelen verblüffend: Während die Überschüsse um neun Prozentpunkte anschwollen, schnellte der Anteil jener Einkommen hoch, der auf das obere Zehntel der Topverdiener entfällt: von unter 25 auf über 30Prozent.“ Die Grafik verweist den Zusammenhang „Exporte für die Oberklasse“. Die Kausalität ist erklärbar: Aus der Expansion der Exportgeschäfte werden einbehaltene Gewinne zur Mehrung der Vermögen der Familienunternehmen eingesetzt.

 

SZ-Grafik: Mainka; Quelle: World Inequality Database and Haver Analytics, Grafik entnommen: Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 2019; Cerstin Gammelin, Alexander Hagelüken: Bericht des IWF Export-Boom verschärft soziale Unterschiede

  • Die soziale Spaltung: „Seit sich die Wirtschaft durchgreifend internationalisierte, stiegen Gewinne und Spitzengehälter stark. Währenddessen registrieren viele Gering- und Normalverdiener stagnierende oder gar schrumpfende reale Einkommen.“
  • Durch Firmenbesitz Gewinnaneignung auf die reichen Haushalte konzentriert: „Steigende Gewinne, verstärkt in Firmen angespart, die den Reichsten gehören, unterstützten den Anstieg der Ungleichheit…

Den zehn Prozent Reichsten gehört 60 Prozent des Nettovermögens in Deutschland – das ist der höchste Wert in der Euro-Zone…

So vergrößerten die sprudelnden Firmengewinne und ihr Einbehalten die Einkommen und Vermögen der Reichen überproportional. Damit lasse sich die Hälfte des Anstiegs der Einkommensungleichheit seit der Jahrtausendwende erklären.“

Vorschläge zur Umverteilung nach dem Prinzip echter Wohlstand für alle

  • höheres Wachstum der Löhne.
  • Niedrige Steuern für Gering- und Normalverdiener
  • höhere Steuern auf Immobilien und Erbschaften erhöhen
  • Einführung der Vermögensteuer in Deutschland
  • Breitere Verteilung des Eigentums an Produktionsmitteln (Wagniskapitalförderung bei Startups durch erleichterten Zugang zur Börse, siehe oben)
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